So holt sich die Natur Steinbrüche zurück

27.07.2020, 01:43 Uhr | Der Patriot/ Dieser Artikel wurde von Michael Görge am 20. Juli 2020 17:50 Uhr veröffentlicht.
Einige Bereiche werden von der Natur zurückerobert.
Einige Bereiche werden von der Natur zurückerobert.

Viele Steinbrüche gibt es in der Anröchter Feldflur. Aktiv gearbeitet wird nicht mehr überall. Einige der Löcher, erobert sich nun die Natur zurück. 

Spaziert man in diesen Wochen durch die Feldflur von Anröchte, ergeben sich im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder „tiefe Einblicke“. Diese offenbaren sich, wenn man auf Steinbrüche trifft. Am Obelisken in Klieve lässt sich von einer Plattform der aktive Steinabbau beobachten. An anderen Stellen blickt man in Löcher, die längst ausgebeutet sind und nach und nach von der Natur zurückerobert werden. Der Anröchter Naturfreund Theo Rödermund hat seine Gedanken dazu aufgeschrieben.

Unsere Gemeinde ist von Steinbrüchen geprägt wie kaum eine andere Region. In der jüngsten Zeit hört und liest man immer wieder von der Umweltzerstörung durch die Steinindustrie. Mit deren alten Abbaumethoden dauerte es früher sehr lange, bis mal so ein „Loch“ entstand. Die Natur wurde nur wenig beeinträchtigt. Durch die neuen Technologien und Maschinen werden heute allerdings sehr schnell riesige Flächen erschlossen.

Zu Anfang sehen die riesigen Löcher selbstverständlich nicht besonders einladend aus. Wenn dabei aber einige Dinge beachtet werden, kommt die Umwelt auch hiermit sehr gut klar. Allerdings sind die Flächen für die Landwirtschaft für Jahrzehnte, wenn nicht für immer verloren. Wichtig ist, dass auf das Grundwasser geachtet wird. Ob es für die Umwelt schädlicher ist, eine riesige Monokultur anzulegen oder große Löcher auszubaggern, ist sicherlich nicht allzu schwer zu beantworten.

Bei uns im Ort gibt es eine ganze Menge alter ausgebeuteter Steinbrüche, die ohne Zutun oder mit sehr geringen Mitteln renaturiert worden sind. Diese Refugien sind wahre Naturparadiese. In den Senken sammelt sich Grundwasser. Mit Steinabfällen wie alten Schollen, Sägeabschnitten, ausgebaggertem Mutterboden oder ähnlichem werden die Löcher teilweise verfüllt.

Die Natur holt sich ihren Anteil sehr schnell zurück. Es gibt kaum Biotope, die so vielfältig sind wie ein renaturierter Steinbruch. Bäume, Büsche, Sträucher, Wildkräuter, Moose und Farne machen sich breit.

Von den „Löchern“ ist in kurzer Zeit nicht mehr viel zu sehen. Das Team „Jugend forscht“ der einstigen Hauptschule Anröchte um Lehrer Josef Saal behandelte dieses Thema vor einigen Jahren bei einer Wettbewerbsrunde und heimste einen Preis ein. Ich wurde diesbezüglich auch zu Rate gezogen.

Flächen ziehen die heimische Tierwelt an

Aus Sicherheitsgründen müssen diese Stellen natürlich eingezäunt werden, denn es sind immer noch Steilhänge oder Felswände vorhanden. Spaziergänger dürfen diese Stellen sowieso selbstverständlich nicht betreten. Die heimische Tierwelt meidet dieses Paradies allerdings nicht. Tiere, die fast als ausgestorben galten, machen sich hier in Ruhe breit. Das beste Beispiel ist der Uhu.

Warum? In unseren Breitengraden war er überhaupt nicht mehr vorhanden. In den steilen Felswänden der Steinbrüche brütete er wieder zuerst. Fünf Gruppen sollen ganz kurz angesprochen werden: Säugetiere, Vögel, Amphibien oder Insekten: Zur ersten Gruppe gehören Kaninchen, Fuchs, Marder, Iltis, Hermelin, Mäuse bis hin zum Reh und zur Fledermaus.

Bei den gefiederten Freunden gesellen sich zum Uhu, der Turmfalke, die Ringeltaube, in den vielen Büschen, Bäumen und Sträuchern nisten natürlich alle möglichen Singvögel. Zu beobachten ist auch der selten gewordene Neuntöter. Bodenbrüter wie Rebhuhn und Fasan nutzen die Bodendeckungen.

Da sich in den Wasserstellen auch Fische ansiedeln, ist auch der Fischreiher kein seltener Gast. Durch vorhandene Wasser- und Trockenstellen sind auch viele Amphibien wie Frösche, Kröten oder Eidechsen vorhanden. Besonders Eidechsen nutzen sehr gerne im Sommer die durch die Sonne aufgeheizten Felsen als Ruheplatz. Zu den Insekten gehören vor allen Dingen Libellen, Schmetterlinge, Mücken oder Wasserläufer.

Da es in verlassenen Steinbrüchen teilweise auch Höhlensysteme gibt, ist hier auch die Fledermaus zu Hause. Wie schon erwähnt, sollten Menschen diese Bereiche meiden. Zum einen aus Sicherheitsgründen, zum anderen aus Naturschutzgründen. In der Nähe kann man aber schon spazieren gehen. Vom ausgehenden Winter bis in den Herbst sind hier wahre Blütenparadiese zu bewundern. Von den Weidekätzchen, über Haselnuss, Holunder, Heckenrose, Schlehen über die vielen Kräuter und Blumen können Auge und Nase ein wahres Seh- und Geruchsfest feiern.

Und für den Hörgenuss sorgen unsere gefiederten Freunde, ganz besonders die Singvögel

++++ Renaturierungskonzept wird von Seiten der Politik diskutiert++++

Von Seiten der SPD-Ratsfraktion wurde in der jüngsten Vergangenheit die Diskussion über die Aufstellung eines Renaturierungskonzeptes angestoßen, das für die Zukunft dringend erforderlich sei, in Angriff zu nehmen. In diesem Zusammenhang betonten die Sozialdemokraten deutlich, dass sie selbstverständlich gegen den Abbau des Anröchter Steins sind und auch nicht die Steinbruchbetriebe gefährden wollen. CDU-Fraktionschef Mattias Bürger berichtete, dass man sich mit dem Thema auch schon längere Zeit befasse. Er verwies darauf, dass die Brüche, die nicht verfüllt werden, um sie allein der Natur zu überlassen, ökologisch immer wertvoller werden, wie es die Fachleute heute sehen. Somit sieht er nicht die Notwendigkeit ein Renaturierungskonzept für Verfüllungen aufzustellen. Für Bürger steht ebenfalls außer Frage, den Abbau des Steins zu gefährden.